Habt ihr euch auch schon mal gefragt, was sich bei den weltumspannenden Reisen diverser Naturliebhaber so komisch anfühlt? Was genau es zur Erhaltung der Natur beiträgt, wenn man zu ihrer Beobachtung aufs Kreuzfahrtschiff oder ins Flugzeug hüpft? Hanna Bjørgaas geht es in ihrem Buch „Das geheime Leben in der Stadt“ (STROUX edition, 2024) ebenso und so macht sie sich auf, die Natur vor ihrer Haustür zu erkunden. Anette Schaumlöffel hat es gelesen und für euch rezensiert. Dieses Buch ist Teil des Programms der Klimabuchmesse 2024 und wird am 21.03.24 um 18 Uhr im Beyerhaus vorgestellt.

Natur in der Ferne und der Nähe

Das Buch beginnt mit der Beschreibung einer Szene in der Antarktis. Hanna Bjørgaas ist als Biologin Begleiterin bei einer Kreuzfahrt, sie erklärt den Passagieren die Natur und nimmt an den Ausflügen teil, bei denen die Tierwelt bewundert wird (natürlich Pinguine in diesem Fall). Eine begeisterte Naturfreundin zeigt ihr ein Foto, das sie gerade gemacht hat und Bjørgaas erkennt darauf eine prächtig orangefarbene Flechte, die sie mehr als einmal bei sich in Oslo gesehen hat. Vielleicht, so denkt sie, ist es an der Zeit, dass sie der Natur in ihrem eigenen Habitat – der Stadt – mal eine Chance gibt.

Neue Perspektive in der Stadt

Als eingefleischte Stadtbewohnerin hat sie bislang nur wenig auf ihre tierischen und pflanzlichen Nachbarn geachtet. Die meisten – Krähen, Tauben, Ameisen, Spatzen – hat sie als lästige Begleiterscheinungen empfunden. Das ändert sich stark, nachdem sie sich vornimmt, ihr Beobachtungsfernglas oder die Lupe auch auf diese nur scheinbar gewöhnlichen Wesen zu richten.

Lebensräume erkunden: Mit Wissen und Einfühlungsvermögen

Das in Monate und Themen aufgeteilte Buch ist mit hinreißenden Kapiteltitelbildern geschmückt. Als Leser*in wird man durch die schöne Farbigkeit auf die Jahreszeit und das Thema eingestimmt. Zu jeder beobachteten Spezies oder Gruppe besucht oder befragt Bjørgaas Spezialisten, die ihr Erstaunliches beibringen. So erobert sie sich Kapitel für Kapitel ein weiteres Feld ihres Lebensraumes.

Dabei hilft ihr ihre:

„Tendenz, Tieren und anderen Lebewesen menschliche Eigenschaften zuzuschreiben. Im Laufe jenes Jahres bin ich vielen Lebewesen der Stadt näher gerückt und fühle mich den Amseln, Ameisen und Krähen tiefer verbunden. Ich merke, dass das etwas mit dem Verständnis zu tun hat, das ich dafür entwickelt habe, welchen Herausforderungen sie begegnen.
Diese Herausforderungen erinnern mich an meine eigenen. Je mehr ich ihre Ängste und Freuden verstehe, desto mehr interessieren sie mich. Tiere als fühlende Wesen zu begreifen, hat es mir leichter gemacht, Gemeinschaft mit ihnen zu erleben.“

Vielfältige Welten

Zunehmend versteht sie mehr von der Welt, in der sich die beobachteten Tiere befinden: dem vielfältigen und aussagekräftigen Klangraum, den Vögel mit ihren Gesängen erschaffen und bewohnen, von der von Düften gesteuerten und mit Signalen durchsetzten Welt der Ameisen und von der Echolotlandkarte der Fledermäuse, in denen ausgerechnet die hell erleuchteten Stellen für Grusel und Furcht sorgen. In den Gesprächen mit kundigen Enthusiasten und Fachleuten erfährt sie Erstaunliches: Diese „verstädterte“ Natur ist wirklich. Möwen, deren Lebensbedingungen sich in ihren alten Jagdgründen stark verändert haben, finden in der Stadt ebenso eine neue, vielversprechende Heimat wie die Tauben. Ob die Ameisen uns Menschen überhaupt bemerken, in ihrer Mikrowelt, die von Gerüchen erhellt ist, ist fraglich. Und ganz tief unten in der Erde – selbst in der hartgebackenen, nährstoffarmen Stadterde – finden sich Organismen, die es immer noch den Pflanzen ermöglichen, am Leben zu bleiben, winzig und fremd und nahezu unzerstörbar.

Umkehr von lebensfeindlich und -freundlich

So ironisch es ist: Die Natur auf dem Land ist für viele Tiere so feindlich geworden, dass sie in den Städten mehr Möglichkeiten finden zu überleben. Dies ist nicht durch Zufall entstanden:

„Die Metaphern, die man für den menschlichen Feind verwendete, wurden auch für Insekten gewählt und genau wie die Kriegsgegner sollten diese vernichtet werden. Die Landwirtschaft war gleichbedeutend mit einem Schlachtfeld.“

Und wo die Insekten erfolgreich bekämpft werden, da geht es auch den Vögeln nicht mehr gut. Doch mit etwas Anpassung kommen erstaunlich viele von ihnen gut in der Stadt über die Runden.

„Ich hatte gefragt, warum gerade Spatzen zusammen mit uns Menschen in der Stadt lebten.
„Sie haben wohl einen guten Magen, der all den Scheiß, den wir Menschen so in uns hineinstopfen, aushält.“ Bjorn Olav hatte dabei gelacht. „Ihre evolutionäre Strategie ist, auch Grillgewürze verdauen zu können!““

Fazit

Bjørgaas teilt ihre Reise, ihre Beobachtungen mit uns und es ist ganz leicht, sich anstecken zu lassen. Und schon ist man nicht mehr allein in der Stadt. Ein lustig und sehr bildhaft geschriebenes, schön anzusehendes und unterhaltsam informierendes Buch, dem ich eine klare Leseempfehlung gebe.

„Das geheime Leben in der Stadt“ von Hanna Bjørgaas ist 2024 beim STROUX edition-Verlag erschienen. In der Leseprobe könnt ihr einen Blick ins Buch werfen.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.