Auch wenn wir alle auf demselben Planeten leben, können die Perspektiven doch sehr verschieden sein. Thore D. Hansen lotet diese Unterschiede in einem ungewöhnlichen Familienportrait aus. In seinem Roman „Taupunkt“ erzählt er die Geschichte zweier Brüder. Zwischen dem ambitionierten Klimaforscher Tom und dem zunehmend verzweifelten Bauer Robert spannt sich ein Konfliktfeld auf, das nur die beiden Töchter füllen können.

Diese fesselnde Geschichte vom Auseinanderdriften der persönlichen Welten, dem Leid, das die Klimakrise jetzt schon in unserem Leben und unseren Beziehungen verursacht, präsentieren wir euch am Samstag, 29.4., 17:30 Uhr live im Rahmen der Klimabuchmesse. Hier erfahrt ihr, worum es in „Taupunkt“ geht.

Brennende Fragen

Wie werden wir leben, wenn die Effekte der voranschreitenden Erderwärmung bald deutlicher zutage treten? Wie können wir das soziale Miteinander gestalten, wo treffen sich Wissenschaft und Gesellschaft? Diesen Fragen widmet sich der Klimaroman „Taupunkt“ von Thore D. Hansen.

Zwei unterschiedliche Brüder driften auseinander

Im Zentrum der fesselnden Geschichte stehen die Brüder Tom und Robert Beyer. Aus derselben norddeutschen Landwirtschaftsfamilie stammend, hätten sich beide unterschiedlicher wohl nicht entwickeln können. Während Tom Beyer sich als Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung der Erforschung des Klimawandels und -schutzes verschrieben hat, führt sein Bruder Robert Beyer die elterliche Landwirtschaft im Nordosten Deutschlands in nächster Generation fort und findet in Verschwörungstheorien Zuflucht von den zunehmenden Anforderungen der Landwirtschaft.

Das Lebenswerk entzweit

Die Brüder statuieren ein Exempel, wie die Umwelt die individuelle Entwicklung, politische Meinungsbildung beeinflusst. Die Situation scheint verfahren, die Gräben zwischen beiden Brüdern könnten nicht tiefer sein. Beide eint jedoch die Leidenschaft, mit der sie sich ihrem jeweiligen Lebenswerk verschrieben haben, und die daraus resultierende Einsamkeit und Verlorenheit.

Die Töchter haben ihre eigenen Vorstellungen

Ein Hoffnungsschimmer findet sich jedoch in der nächsten Generation, verkörpert durch Mareike, der Tochter von Tom, und Janne, der Tochter von Robert. Mareike hat die andauernden eindringlichen Parolen des Vaters satt und sehnt sich nach einem Leben abseits des berühmten Vaters, der seine Frau und Tochter immer hinter seinen wissenschaftlichen Kampf zurückgestellt hat. Janne hingegen möchte weg von der Enge und Bedrücktheit der Dorfidylle, in der sie nur hilflos dabei zuschauen kann, wie ihr Vater seine Ängste zunehmend in Alkohol ertränkt. Stattdessen möchte sie etwas bewegen, ihr Engagement für den Klimaschutz hat oberste Bedeutung, so idealisiert sie den Onkel.

Die Not führt die Familie im gemeinsamen Ziel zusammen

Obwohl sich die Differenzen zwischen beiden Brüdern so in gewisser Weise in der nächsten Generation widerspiegeln, pflegen Mareike und Janne einen engen Kontakt. In der Not einer nie dagewesenen Hitzewelle besinnen sich die beiden auf ihre Gemeinsamkeit: das Bestreben nämlich, die großelterliche Landwirtschaft zu erhalten und die Fehde zwischen den Vätern endlich beizulegen. Zuletzt müssen im Buch sogar die beiden väterlichen Streithähne einsehen, dass die Wucht der klimatischen Veränderungen und die Komplexität und Vielfalt der notwendigen Anpassungen wohl besser gemeinsam zu bewältigen ist.

„Wir sind die letzte Generation!“ warf Janne ein und spielte auf jene Bewegung der Klimaschützer an, die gerade begann, sich zu radikalisieren.
„Nein, ihr seid die erste Generation, die lernen wird, sich anzupassen, entgegnete Tom.

Vertraute Familienkonflikte bieten den Hintergrund für ein realistisches Klimadrama

Thore D. Hanssen bettet das sich entfaltende klimatische Schreckensszenario in „Taupunkt“ in eine Familientragödie ein. Gut fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse stehen direkt neben familiären Differenzen, Fragen der geschwisterlichen Gleichberechtigung, der Fortführung des elterlichen Erbes, grassierender Schwierigkeiten zwischen den Generationen. Die Darbietung realistischer klimatischer Szenarien rüttelt auf, der Schauplatz des Buches in Nordostdeutschland konfrontiert direkt mit zu erwartenden Veränderungen. An Emotionalität gewinnt das Buch jedoch insbesondere durch die packende Darstellung der familiären Reibereien, die fast jede*r zumindest in Zügen wiedererkennen dürfte.

Lösungssuche mit Lebensfreude, frei von naiven Illusionen

Obwohl „Taupunkt“ die zu erwartenden Veränderungen infolge des Klimawandels in eindringlichem und nüchternem Ton nahebringt, nährt das Buch keine Gefühle von Verzweiflung. Schließlich wird nicht nur die Suche, sondern auch das Fündigwerden einer Vielfalt wissenschaftlicher und zwischenmenschlicher Lösungsansätze illustriert. Die Protagonist*innen fungieren immer wieder als Lichtfiguren, die vorleben, wie wir unser Leben flexibel an die unvermeidlichen Veränderungen anpassen und kreativ, mit Lebensfreude, an die Lösungssuche gehen. Damit einher geht die Frage nach der besseren Verzahnung von Theorie und Praxis, welchen Auftrag die Wissenschaft also der Gesellschaft gibt. Obgleich die Klimakrise im Buch wie in der Realität unabwendbar bleibt, gibt es ein versöhnliches Ende: ein Ende nämlich frei von jeglichen naiven Illusionen über das Fortbestehen der Welt unter jetzigen klimatischen Bedingungen, aber mit Ideen zur Ausgestaltung einer Zukunft.

„Die Welt ist voller Schmarzmaler. Was wir aber brauchen, ist Optimismus und Leidenschaft. Nicht Zweckoptimismus, sondern den Glauben daran, dass wir am Ende doch die Fähigkeit haben werden, die Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden. Und wenn wir dann diesen schmerzlichen und einschneidenden Schritt gegangen sind, dürften viele andere zivilisatorische Herausforderungen gleich mit gelöst werden.“

Thore D. Hansens „Taupunkt“, ist 2023 im Europa-Verlag mit 272 Seiten erschienen. Hier findet ihr auch eine Leseprobe.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.

Hintergrundbild: Mike Payne bei Unsplash