Hat uns die Wissenschaft nicht die nahende Klimakatastophe eingebracht? Oder sollten wir ihren Vertreter*innen endlich einmal genauer zuhören, um uns und die Welt um uns herum aus dem Schlamassel zu befreien, in dem wir uns befinden? Die Neurowissenschaftlerin Dr. Franca Parianen hat Kolleginnen und Kollegen interviewt, um das Potential ihrer Zunft auszuloten. Herausgekommen ist ein spannendes Buch über die positiven Optionen, die Wissenschaftler aus allen Bereichen uns anbieten können.

Unter dem Motto „Mit Literatur Natur und Klima verstehen“ stellt Parianen ihr Buch „Weltrettung braucht Wissenschaft“ im Rahmen der Klimabuchmesse vor. Am Freitag, 28. April um 19 Uhr, im WERK 2, Halle D, gehen wir mit ihr auf die Reise und dazu mit Martin Theis („Endzeitreise“) und Tina Pruschmann („Bittere Wasser“). Der Eintritt ist wie immer frei.

Ein bisschen die Welt retten?

Franca Parianens Vorhaben ist nicht bescheiden: Nämlich das, Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit zu finden. Dafür begibt sich Autorin und promovierte Neurowissenschaftlerin auf eine spannende Reise, quer durch Deutschland, in elf wissenschaftliche „Kämmerlein“, um über die Probleme und möglichen Lösungen für unsere Zeit zu sprechen.

Historisch für die Zukunft gerüstet?

So wird bei einem Kaffee erörtert, warum ein Historiker nur scheinbar nicht viel zur Weltrettung beizutragen hat. Schließlich ist es die Vergangenheit, die uns in die Gegenwart geführt hat. Die Ursachen unserer Probleme liegen hier. Zwar ist der Verlauf der Geschichte einmalig, das Verhalten der Menschen ist es jedoch nicht, was dazu führt, dass vergleichbare Impulse ähnliche Effekte beschwören.

Ein Beispiel hierfür ist der unerschütterliche Glauben jeder Generation, den Altvorderen voraus zu sein. Ein anderes Beispiel mit Déjà-vu-Effekt ist Radikalisierung als Reaktion auf überwältigende Veränderungen. Kurz: Solange Geschichtsbewusstsein in der Gegenwart nicht ihren Platz einnimmt, werden immer wieder dieselben Fehler gemacht.

„Die Integrität von biochemischen Kreisläufen und Biodiversität haben wir längst überschritten, die Zahl an menschengemachten chemischen Substanzen kürzlich, genauso wie die des Frischwassers für Pflanzen (…) Abholzung und Erhitzung sind im gelben Bereich, und an der vollständigen Übersäuerung der Ozeane kratzen wir gefährlich.“

Diversität – nur scheinbar aufgeklärt?

Da ist aber auch die Soziologin, die sich auf geschlechtersensible Medizin spezialisiert hat und uns vor Augen führt, dass das Bewusstsein für Diversität selbst in der Wissenschaft und Medizin noch bei Weitem nicht genug angekommen ist. Auch wenn diese Selbsterkenntnis die Disziplinen selbst schmerzen mag.

Mikroplastik – außer Kontrolle?

Die Molekularbiologin Ann-Kathrin Vlacil weist darauf hin, dass die Verbreitung von Mikroplastik außer Kontrolle geraten ist. Wir hinken hinterher: Eine Risikobewertung lässt auf sich warten. Noch nicht einmal zu einer sauberen Definition konnte die Wissenschaft sich durchringen. Unterdessen passieren Polystyrolpartikel nicht nur den Darm, sondern lasse sich auch im Gehirn nachweisen. Eine Ursache für Alzheimer? Man weiß es noch nicht, doch es alarmiert. Nicht nur bei Mikroplastik ist sowohl auf politischer als auch individueller Ebene anzusetzen. Hier wäre zum Beispiel eine globale Plastikkreislaufwirtschaft, kombiniert mit der Begrenzung der Neuproduktion und langfristigeren Verwendungszyklen, eine schöne Utopie. Aber auch wir selbst fühlen uns ertappt: Ja auch auf Mikroplastik nehmen wir durch unsere Essgewohnheiten durchaus Einfluss. Wenn wir ins Auto steigen, nehmen wir Einfluss.

Vom Ringen um das Wunderbare

Parianen selbst stellt fest, dass wir Menschen einen ziemlichen Lauf darin haben, das Wunderbare um uns herum toxisch oder ungenießbar zu machen. Also doch keine Reiseroute voller Lösungen? Durchaus ringen die eindringlichen Problembeschreibung auch um das Aufzeigen von Lösungen – einzig wünschen wir sie uns wohl immer einfacher, als sie sind.

Das Buch ist anregend für alle, die durchs Schlüsselloch spannende Perspektiven unterschiedlichster Wissenschaftsdisziplinen erspähen möchten: Von der Energiewende, über Maschinelles Lernen, Ernährung bis hin zu Gentechnik, Neurowissenschaft u. a. Parianens frischer Humor und ihre Wortgewandtheit machen die tiefgründigen Themen durchweg leichtfüßig unterhaltsam.

Franca Parianen, „Weltrettung braucht Wissenschaft“, ist 2023 beim Rowohlt Verlag mit 224 Seiten erschienen. Hier findet ihr auch eine Leseprobe.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.