Habt ihr auch schon mal Monokultur im Obstanbau gesehen? Wiese über Wiese dieselben gestützten kleinen Apfelbäume, zwischen denen grad mal Platz für ein bisschen Gras und widerstandsfähige Blumen ist, wo sich kaum ein Schmetterling hin verirrt? Darum, wie solch ein Obstanbau betrieben wird, und was passiert, wenn Obstbauern aus der Reihe tanzen wollen, geht es in Alexander Schiebels Buch “Gift und Wahrheit. Lisa von der Klimabuchmesse hat es gelesen und für Euch rezensiert. Dieses Buch ist Teil des Programms der Klimabuchmesse 2024 und wird am 22.03.24 um 15 Uhr im Botanischen Garten vorgestellt.

Dokumentation eines Widerstandes

Alexander Schiebels Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Nach dem Buch „Wunder von Mals“ folgt mit „Gift und Wahrheit“ die Aufarbeitung des Pestizidprozesses, mit der er die Machenschaften der Politik und Wirtschaft aufzeigt.

“Die Gesellschaft zeigt sich bemerkenswert unfähig, politische Lösungen zum Schutz der Biosphäre der Erde zu finden.”

Widerstand der Obstbauern im Kinofilm

Im ersten Teil des Buches gibt der Autor eine Zusammenfassung der Aktionen des kleinen Dorfes im Vinschgau, das sich gegen die Pestizid-Lobby der Apfelplantagen eingesetzt hat. Trotz diverser Anfeindungen, finanziellen Nöten und Drohungen geht Schiebel das Risiko ein und stellt sich den Lobbyisten entgegen. Mit verschiedenen, öffentlichkeitswirksamen Aktionen machen er und die Dorfbewohner*innen auf die Toxizität der Pestizide aufmerksam. Aus den gesammelten Materialien schneidet Alexander Schiebel einen Kinofilm zusammen, der in 350 Kinos gezeigt wird und in Potsdam den Preis für die beste künstlerische Leistung verliehen bekommt.

“Agrochemie-Konzerne überprüfen ihre neuen Wirkstoffe also im Wesentlichen selbst und legen danach das Ergebnis dieser streng geheimen Selbstprüfung den Zulassungsbehörden vor.”

Die Lobby reagiert mit Strafanzeige

Als Konsequenz dieser Öffentlichmachung der Praxis im Obstanbau erstatten 1372 Obstbauern, zwei Obstkonzerne, der Bauernbund und die Landesregierung Strafanzeige gegen Schiebel. Diese Geschichte, sowie die Machenschaften rund um den Gerichtsprozess werden im zweiten Teil des Buches geschildert. Die Leser*innen werden mitgenommen in die tiefen Verwicklungen von Medien, Wirtschaft und Politik, das ist spannend und erschreckend zugleich.

Emotionale Berg- und Talfahrt

Auch die Gefühlsebene wird berührt. Der Autor gibt tiefe Einblicke in seine innerliche Zerrissenheit und Verzweiflung und zeigt wie er dank vieler Unterstützer*innen wieder Mut und Zuversicht gewinnt. Das Buch zeigt die beeindruckende Kraft des Zusammenhalts der Bürgerinnen und Bürger von Mals, die durch ihr gemeinsames Engagement und ihren Mut Veränderungen herbeiführen.

“Wir müssen kämpfen.

Wir müssen sofort kämpfen.

Wir müssen gewaltlos kämpfen.”

Lesenswert

Der Schreibstil des Buches ist leicht verständlich und flüssig zu lesen. Alexander Schiebel schafft es durch seine bildhafte Sprache, Leser gut in die Situationen hineinzuversetzen und mitfiebern zu lassen. Er baut einen wunderbaren Spannungsbogen auf, in dessen Verlauf ich immer wieder fassungslos gewesen bin. Das hat mich eindringlich zum Nachdenken angeregt und dazu, mich mit dem Thema intensiv zu befassen.

„Gift und Wahrheit“ von Alexander Schiebel ist 2023 beim Oekom-Verlag erschienen. In der Leseprobe könnt ihr einen Blick ins Buch werfen.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.