In „Klima im Kopf“ nimmt Katharina van Brownsijk uns mit auf Entdeckungsreise durch die Welt der Klimagefühle. Sie plädiert für einen konstruktiv-optimistischen Umgang mit der Krise auf individueller und kollektiver Ebene, um uns mit Träumen von einer anders als gedachten und dennoch hoffnungsfrohen Zukunft anstelle klimabezogener Albträume zu entlassen.

Sarah Alica Rösch von den Psychologists4Future hat das Buch für euch gelesen:

„Wenn wir lernen, unsere Emotionen zuzulassen, die Bedürfnisse und Werte dahinter zu erkennen, dann sind sie der größte Antrieb, den ein Mensch haben kann. Wut, Angst und Trauer werden dann zu Verbündeten, mit denen wir die Klimakrise in den Griff bekommen. Freude, Stolz und Liebe zu Mitstreiterinnen auf dem Weg in eine Zukunft, die uns glücklich macht und in der wir friedlich auf der Erde leben.“

Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen

Die Klimakrise, jene Krise also, die die Erwärmung unseres Planeten beschreibt, sei als menschengemachte Krise eine psychologische Krise. Natur- und sozialwissenschaftliche Ansätze, wie z.B. die „Drachen der Untätigkeit“ kommen im Buch zur Erklärung unserer Gefühle und unserer inneren Handlungsbarrieren – trotz besseren Wissens – zum Einsatz, zeigen aber auch Mittel zu deren Überwindung auf.

Im Umgang mit der Klimakrise sei die Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen essenziell. Diese hätten wir jedoch verlernt, seien gar zu Emotionsphobiker*innen mutiert. Negative Gefühle in Bezug auf die Klimakrise seien jedoch völlig angemessen. Diese „normalen“ Gefühle werden klar von behandlungsbedürftigen Gefühlen wie Climate Depression unterschieden. Weiterhin stellt das Buch den Zusammenhang zwischen den eigenen Gefühlen und zugrundeliegenden Bedürfnisse her. Diese zu kennen, sei besonders für die konstruktive Auseinandersetzung mit Anderen, deren Bedürfnisse sich stark von unseren unterscheiden (z.B. Politiker*innen und Aktivist*innen), wichtig.

Individuum und System

Anschließend nimmt van Brownsijk die Wechselbeziehungen zwischen dem Individuum und dem System, in das jede*r Einzelne*r eingebettet ist und seine/ihre Identität definiert, in den Fokus. Die Autorin vertritt die These, dass unsere systemischen Gepflogenheiten die Krise erst entstehen lassen haben. Damit wird die Klimakrise zum systemischen Problem und der Einzelne zum Rädchen im Getriebe. Das bedeutet auch: Veränderungen brauchen Zeit und Ziele sollten an dem, was wir von der Gesellschaft erwarten können, orientiert werden.
„Wir“ seien psychisch und/oder körperlich jedoch verhältnismäßig wenig betroffen von der Klimakrise. Obgleich wir uns dieses Privileg nicht ausgesucht hätten, bringe es uns in die Verantwortung, das eigene System – z.B. mit Petitionen oder Demonstrationen – zu hinterfragen und Änderungen einzufordern, wozu stärker betroffene Menschen nicht in der Lage seien.

Nicht nur diese stark betroffenen Gruppen, sondern auch hiesige Gruppen, deren Lebensumstände sich durch die Klimakrise stark verändert und die dadurch auf schmerzhafte Art Merkmale ihrer Identität einbüßen mussten (z.B. Kohlekumpels), erfahren im Buch besondere Wertschätzung. Kritischere Anregungen zum Hinterfragen des eigenen Lebensstils unterbrechen den ansonsten mütterlich-wohlwollenden und gewährenden Tenor in erfrischender Weise und laden ein, Klimaangst auch einmal als Folge einer individualistischen Betrachtungsweise zu sehen, die das Augenmerk weg von der Notwendigkeit kollektiver Handlung lenkt.

„Was ist Klimaangst – ist sie übertrieben oder sogar eine psychische Störung? […] Es passt sehr gut in unser individualistisches Denken, dass sofort gefragt wird, ob einzelne Menschen „hysterisch“ sind, weil sie sich mit Klimafakten befassen und diese ernst nehmen. Dabei individualisieren wir die Klimakrise und diskutieren sie als ein emotionales Anpassungsproblem einzelner Menschen. Dieses Abschieben des Problems auf einzelne Menschen lenkt von der eigentlichen Aufgabe ab: Wir als Gesellschaft müssen alle zusammen die Klimakrise bekämpfen. Dringend. Dann fällt der Grund für die Angst automatisch wieder weg.“

Das vorherrschende Leistungs- und Selbstverwirklichungsideal erzeuge Druck und fördere soziale Vergleiche. Um dabei nicht die Begegnung mit uns selbst zu verpassen, empfiehlt van Brownsijk die Rückbesinnung auf die eigenen Werte: Wer möchte ich sein in dieser Welt? Was gibt mir in Krisensituationen Halt und Sinnhaftigkeit? Sie gibt persönliche Beispiele (z.B. darüber, was sie von Patient*innen gelernt habe) und liefert eine tabellarische Orientierungshilfe zu den eigenen Werten mit. Mitunter mutet das Buch so als Lebensratgeber an, einschließlich des Anhalts zur Selbstfürsorge mit ausreichender Bewegung, gutem Schlaf und gesunder Ernährung.

Die Entwicklung von individueller Resilienz erfordere eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit äußeren (z.B. politischen, sozialen, kulturellen) und inneren Geschehnissen – einfache oder überdauernd funktionierende Strategien zum Umgang mit der Klimakrise seien schlicht Mangelware. Um notwendige Klimaschutzmaßnahmen nicht zu verzögern und sozialen Zusammenhalt in Bezug auf Krisen über die Anfangseuphorie hinaus zu erhalten, sei ein Verständnis von Resilienz auf kollektiver Ebene jedoch unabdingbar.

„Beyond Hope“

Schließlich macht van Brownsijk unmissverständlich klar, dass die Klimakrise nicht zu verhindern sei. Zum Umgang blieben uns einzig Mitigation, die Rettung dessen, was wir als lebenswert empfinden, und Adaptation, die Anpassung an unvermeidbare Veränderungen auf diesem Planeten. Dieser traurigen Wahrheit entgegen fordert sie uns auf, die Perspektive zu weiten, „beyond hope“ zu schauen: in einer Zukunftsutopie könnten wir entstehende Lücken mit Kultur füllen, Menschen zu politischer Teilhabe befähigen, das Ehrenamt weiter ausbauen.

Strategien zum Umgang mit der Klimakrise sollen also nicht nur etwas bewirken, sondern auch Spaß machen, kleine und große Glücksmomente fester Bestandteil des Lebens sein. Aus diesen Glücksmomenten nämlich schöpfen wir, können Pionier*innen des Wandels werden. Der Tenor des Buches jedenfalls strahlt eine unerschütterliche Zuversicht in die Veränderbarkeit des Einzelnen und des Systems aus und gibt Anlass zur Hoffnung, dass wir uns bald als Teil des Ökosystems, einer Mitwelt statt Umwelt, verstehen.

„In gesellschaftlichen Nischen kann man gemeinsam in der Zukunft probewohnen und den anderen zeigen, wie schön man es haben könnte“.

Katharina van Bronswijk, „Klima im Kopf. Was die ökologische Krise mit uns macht“, ist 2022 bei oekom mit 208 Seiten erschienen.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.