Jan Hegenberg ist ein Erklärfuchs, der uns unterhält, überrascht, aber – ganz im Gegensatz zum Fabeltier – immer der Wahrheit verpflichtet ist. Das findet Autorin Anette Schaumlöffel, die das Buch „Weltuntergang fällt aus“ für die Klimabuchmesse gelesen hat. Ihr seid neugierig geworden? Dann könnt ihr „Der Graslutscher“ Hegenberg am 16.3. live und im Stream erleben. Hier mehr zur Veranstaltung mit Katharina van Bronswijk: Weltuntergang im Kopf? Klima fällt aus!

Aber nun zum Buch bzw. auch zu einer Assoziation, die Anette beim Lesen hatte:

„Keine Panik“

Kennt ihr „Per Anhalter durch die Galaxis“? Angesichts der drohenden Sprengung der Erde erhält Arthur Dent, der Held von Douglas Adams SciFi-Klassiker, ein Handbuch. Auf diesem Handbuch steht in großen freundlichen Buchstaben „Keine Panik“. An dieses Handbuch erinnert mich der Titel von Jan Hegenbergs Buch „Weltuntergang fällt aus“. Dents Erde wird übrigens trotzdem gesprengt, da gefällt mir Hegenbergs Prognose doch deutlich besser. Als Bonus lese ich auf dem Klappentext: „Später wird alles besser“.
Zwischen den beiden Klappen liegt ein Buch, das ich sehr gebraucht habe – das jede*r brauchen kann, die sich für die Abwendung der Klimakrise einsetzen.

Kein typisches alternatives Gewächs

Der Autor Jan Hegenberg begann vor Jahren als „Der Graslutscher“ einen Blog. Ich vermute, weil er es nicht mehr aushielt, wie viele falsche, ja gar dumme, Dinge über wichtige Themen in den Medien geschrieben, kommentiert und geteilt werden. In dem Blog – und später auch auf Facebook – entkräftet und entlarvt er Falschaussagen in Meldungen, Berichten, Kommentaren, Dokumentarfilmen, die sich alle in den trüben Gewässern der Desinformation tummeln. Hegenberg studierte BWL und arbeitete in der IT, er ist also kein typisches Gewächs der alternativen Szene. Dennoch entschied er sich für den Veganismus – „der Graslutscher“ ist u.a. das Schimpfwort, dass er sich für diese Entscheidung anhören musste.
Hegenberg setzt sich mit der Gefahr unseres aktuellen Lebens und Wirtschaftens für unsere Welt auseinander. Und wie alle, die diese Themen in der eigenen Umgebung und in den sozialen Medien vertreten, sieht er sich immer wieder denselben Argumenten, falschen Vergleichen und einseitiger Faktenverzerrung gegenüber. Dagegen hat er nun für sich und für uns dieses Buch geschrieben.

Erklärfuchs der Wahrheit

In seinem Buch räumt Hegenberg zunächst einmal mit den schlechten Gefühlen auf, die allen leider nur allzu gut bekannt sind, die die Augen nicht vor den aktuellen Entwicklungen verschließen. Es gibt keinen Grund, zu verzweifeln, schreibt er: Wir sind bereits auf einem Weg, der zeigt, dass es möglich ist, die notwendigen Dinge zu tun. Und dann fängt er an zu erklären. Hegenberg ist dabei unglaublich verständlich, aber er ist kein Erklärbär, vielmehr ist er ein Erklärfuchs, der uns unterhält, überrascht, aber – ganz im Gegensatz zum Fabeltier – immer der Wahrheit verpflichtet ist.
Und dann räumt er mit den Pseudoargumenten auf.

Der Energiebedarf von fahrenden Heizungen

Nur ein Beispiel: Ihr kennt doch sicher die Behauptung, dass der Stromverbrauch durch die eAutos so sehr steigen würde, dass erneuerbare Energien dafür auf keinen Fall mehr ausreichen könnten. Moment, sagt Hegenberg, und zitiert die alte Ingenieursweisheit:

„Autos sind energetisch betrachtet (…) nicht primär Fortbewegungsmittel, sondern eher fahrende Heizungen.“

Bei einem Verbrennerauto geht nur ein Viertel der Energie in die Bewegung, der Rest verpufft ungenutzt als Wärme. Das Gleiche geschieht auch bei Kohlekraftwerken. Auch wenn hier immerhin die Hälfte der über fossile Brennstoffe eingebrachten Energie im Strom landet.
Diese Rechnung sieht sowohl beim eAuto als auch bei den erneuerbaren Energien ganz anders aus. Hier ist die verpuffende Energie um ein Vielfaches kleiner und wird über Wind, Sonne, etc. erzeugt, die am nächsten Tag wieder die Knöchel knacken lassen, für die nächste Runde. Die Absurdität, als Hauptenergielieferanten Substanzen zu verwenden, die nach einmaligem Gebrauch zerstört sind und dabei noch unerwünschte Wärme und CO2 hinterlassen, wird besonders deutlich, wenn Hegenberg zeigt, dass es doch inzwischen so viel elegantere Möglichkeiten gibt.

Erklärung und Framing

Dies ist Hegenbergs Stärke Nummer Eins: Er erklärt Gegebenheiten und Zusammenhänge aus der Technik, die man danach so gut verstanden hat, dass man sie selbst erklären kann.
Seine Stärke Nummer Zwei besteht darin, dass er sich mit Rhetorik auskennt – und reihenweise genau die Leute erwischt, die diese missbrauchen. Dabei analysiert er oft das Framing von anderen und zeigt die Zusammenhänge dahinter auf. So schreibt er zu einem der Dörfer, die für den Braunkohletagebau weichen mussten:

„Man stelle sich vor, was hier los wäre, würden hier intakte Dörfer mit Kirchen aus dem 19. Jahrhundert für die Windkraft abgerissen werden.“

Und schon ist es klar, dass eine stillschweigende Unterstützung für den Braunkohletagebau Zerstörungen ganz selbstverständlich in Kauf nimmt, für deren schwachen Abklatsch Windkraftbetreiber ans Kreuz genagelt würden. Anders als es uns gerade die Politik weismachen will: Keine Spur von Sachlichkeit im öffentlichen Diskurs.

Was nicht erzählt wird

Auch Auslassungen anderer Art ist Hegenberg auf der Spur. So befasst er sich mit der Kritik an der Notwendigkeit, für mehr eAutos Lithium und Kobalt (unter menschenunwürdigen Bedingungen) abzubauen. Ja, schreibt Hegenberg, das stimmt und wir sollten die Bedingungen deutlich verbessern. Wie aber steht es denn mit all den Materialien, aus denen Verbrennerautos so gebaut werden? Aluminium zum Beispiel. Dessen „Gewinnung“ gelingt auch nicht durch Segenswünsche und Teleportation, allerdings ist unser Bedarf an diesem Metall so hoch und so übergreifend, dass da offenbar keiner gern den Stein Richtung Glashaus erhebt.

Und die Förderung von Rohöl ist schon so lange mit schädlichen Einwirkungen auf die Umwelt verbunden, dass man sich da schon dran gewöhnt hat? Mal ganz davon abgesehen, dass der Transport von Rohöl 40 Prozent der globalen Frachtschifffahrt besetzt. Nur, damit die in Benzin und Diesel umgewandelten Anteile in einem einmaligen Akt ineffizienter Energiegewinnung verbrannt werden. Rohstoffe, die in den Aufbau erneuerbarer Energien fließen, sind recyclebar und können nach einmaliger Förderung immer wieder verwendet werden. Dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, wird im Laufe des Buches sehr deutlich.

Gründlichkeit und Humor

Hegenberg ist sehr gründlich. Er arbeitet die Themen durch, die im Kreuzfeuer der öffentlichen Argumentationen liegen. Das macht er nicht nur verständlich, und visuell sehr gut aufgebaut, sondern auch noch überaus lustig. Der Humor ist Hegenbergs Stärke Nummer Drei. Wie er das hinkriegt, diese Leichtigkeit, mit der er provokant und gleichzeitig faktenversessen den Stoff in die Lesenden hineinbekommt, ich weiß es wirklich nicht. Aber ich weiß, dass man bei diesem unerfreulichen und zutiefst lästigen Thema jeden Moment der Heiterkeit gebrauchen kann.

Das Schlimmste abwenden

Am Ende von „Weltuntergang fällt aus“ habe ich wirklich Mut gefasst, denn es ist klar: Wir sind auf einem guten Weg, um das Ruder rumzureißen. Wir sind nicht allein! Und Wirtschaft und Forschung sind auch schon auf dem richtigen Weg. Wenn wir nur weiter den politischen Akteuren auf den Zehen stehen und unser eigenes Verhalten, wo möglich,  können wir das Schlimmste für unsere Erde noch abwenden.

Das wird kein einfacher Weg, aber anders als für den Heimatplaneten des tragisch-komischen Helds in „Per Anhalter durch die Galaxis“ besteht für unseren noch Hoffnung. Und nach der Lektüre von „Weltuntergang fällt aus“ kann ich in der nächsten Diskussion die Totschlagargumente eiskalt an mir vorbeipfeifen lassen und mit belastbaren Fakten kontern. Da bin ich mir sicher!

Jan Hegenberg, „Weltuntergang fällt aus! Warum die Wende der Klimakrise viel einfacher ist als die meisten denken und was jetzt zu tun ist“ ist bei KOMPLETT Media 2022 mit 288 Seiten erschienen.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.