Die beiden Autoren Peter Wohlleben und Pierre L. Ibisch werden zum Auftakt der Klimabuchmesse ihr Buch präsentieren und gemeinsam mit Cordula Weimann (Gründerin von Omas for Future und „Leipzig Pflanzt“) überlegen, wie wir unsere Welt grüner machen können.

Donnerstag, 27.04., 15 bis 15.30 Uhr, Messegelände Halle 2 Forum Sachbuch/Wissenschaft

Wunderschöne Fotos, verständliches Wissen

„Waldwissen“ heißt das neue Buch, das Peter Wohlleben, Deutschlands wohl bekanntester Förster, und Pierre Ibisch, Professor für „Nature Conservation“, gemeinsam geschrieben haben. Und dieser Titel ist perfekt gewählt, denn die zwei Experten haben ein Kompendium vorgelegt, das seinesgleichen sucht: Hier wird der neueste Forschungsstand verständlich gemacht auf über 350 Seiten ausgebreitet und mit übersichtlichen Infografiken und wunderschönen großformatigen Fotos illustriert.

Grundlagen, die vor allem zeigen, wie wenig wir noch verstehen

Das Buch beginnt mit der Vermittlung von Grundlagen zum Thema. Bei allen Details, die mit vielen Beispielen liebevoll und verständlich erläutert werden, wird aber auch sehr deutlich, dass dieser Organismus Wald noch lange nicht in Gänze verstanden ist. Oder dass wir Menschen ihn vielleicht auch gar nicht mit den herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden „verstehen“ können. Dieses vernetzte, verschaltete, verbundene System mit seinen Symbiosen, Informationsflüssen und seiner Physik (insbesondere den Energie- und Stoffumwandlungsprozessen) gibt zwar beim Oszillieren zwischen Ordnung und Chaos ständig neue Geheimnisse preis, aber gleichzeitig rückt bei jeder neuen Erkenntnis der Glaube an ein komplettes Verständnis dieses komplexen Ökosystem in weitere Ferne. Das Konzept der „Science of surprise“ spielt eine wachsende Rolle und wird immer einleuchtender. Vor allem in der jüngsten Vergangenheit seit 2018, die geprägt ist durch die Klimakrise, sorgen die Wälder leider eher für negative Überraschungen.

Wie man Wälder zu Tode pflegt

Im Kapitel „Wald und Mensch“ wird dann klar, dass leider die Menschen an diesen negativen „Überraschungen“ schuld sind. Den (deutschen) Wäldern – der Waldzustandsbericht 2023 spricht von einer Gefährdung von 80 % aller Wälder Deutschlands – geht es nicht gut. Die Autoren beschreiben, wie der Wald in einer Zeit der Klimaerwärmung „totgepflegt“ wird. Sie analysieren dabei in klarer und so einsichtiger Weise die Waldgesundheit, bzw. woran der Wald krankt, dass man eigentlich kaum glauben kann, dass Kahlschläge und das Entfernen von Totholz (unter gewissen Deckmäntelchen) weiterhin erlaubt sind, sogar zum Teil staatlich gefördert werden. Die absterbenden Fichten- und Kiefern-Forste in ganz Deutschland hat man beim Lesen dabei sofort vor dem inneren Auge. Nach der Lektüre des Buches versteht man nun, dass dieses Massensterben eine Folge der „Pflege-Maßnahmen“ ist, die zwar der bisher herrschenden Lehrmeinung entsprechen, aber dem Wald augenscheinlich schaden. Trotzdem wird unverdrossen so weitergemacht.

Manifest der sozialökologischen Waldbewirtschaftung

Auf Grundlage dieser Analyse des „Patienten Wald“ erklären die Autoren dann ihr Manifest der sozialökologischen Waldbewirtschaftung und formulieren einen neuen Kompass für den Wald. Dabei fordern sie umfangreiche Schutzmaßnahmen für einen Großteil der noch halbwegs naturnahen Wälder und ein adaptives Management des Waldes mit streng geregelter, maßvoller Wertholzentnahme aus den Forsten. Die Politik sollte dabei nun den anderen Funktionen von Wäldern, den sogenannten regulierenden Ökosystemleistungen, Vorrang gegenüber der Wirtschaftsfunktion einzuräumen. Denn die Funktion der Wälder als Erholungsraum, als Wasser- und Bodenschutzgebiet und vor allem die Funktion als Klimaanlage der Landschaft sind (und waren es eigentlich schon immer) weit wichtiger als die sogenannte Nutzfunktion als lebendiges „Holzlager“.

Wälder als Verbündete gegen die Klimakrise betrachten

Abschließend sprechen die Autoren sich für eine neue Betrachtungsweise aus:  eine Kombination von Waldwissen und Waldfühlen. Sie fordern ein radikales Umdenken und dass nun alles auf den Prüfstand muss, was die Gesundheit der Ökosysteme angeht.

„Zur notwendigen Radikalität gehört, dass wir uns besonders vehement gegen die gefährlichste Krise von allen stellen, die Klimakatastrophe. (…) Wir werden fast alles der Auseinandersetzung mit der Klimakrise unterordnen müssen. Fast alles, nur die Bewahrung gesunder Ökosysteme nicht! Ihr Schutz wahrt Leben und ist zugleich Klimaschutz.“

Das neueste Wissen für alle Waldliebhaber verständlich gemacht

Ich persönlich habe beim Lesen dieses Buchs viele Gewissheiten meines (Bio-)Studiums über Bord geworfen. Die dargestellten Erkenntnisse und Tendenzen aktueller Studien sind einfach überzeugend. Gleichzeitig ist den Autoren hoch anzurechnen, dass sie auf eine allgemein verständliche Beschreibung und Erklärung geachtet haben. Sie wollten damit möglichst viele Lesende mitnehmen, was auch gelingt. Denn die beiden haben (wie es auch auf dem Klappentext steht)

„dieses Buch geschrieben, weil wir den Wald lieben – und weil wir uns Sorgen um ihn machen. Ein Leben ohne Bäume, ohne Vögel unter dem raschelnden Blätterdach alter Buchen, ohne moosbewachsene Stämme, ohne Pilze im modrigen Totholz, ohne die würzige Luft an warmen Sommertagen oder ohne knarzendes Holz, wenn der Wind durch den Wald fegt, ist für uns nicht vorstellbar.“

Für mich als Leserin ist ein Leben ohne die Vielfältigkeit des Waldes auch nicht vostellbar und nach dem Lesen dieses großartigen Buchs schon gleich gar nicht mehr. Deshalb empfehle ich die Lektüre dieses Grundlagenwerks und Opus Magnum der beiden Waldhüter von ganzem Herzen.

Peter Wohlleben und Pierre L.Ibisch, „Waldwissen“, ist 2023 im Ludwig Verlag mit 383 Seiten erschienen. 

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.