Immer mehr Menschen weltweit sind auf der Flucht und treffen auf immer weniger offene Arme in anderen Ländern. Gaia Vince hat sich mit dieser Thematik in ihrem Buch „Das nomadische Jahrhundert“ beschäftigt. Lilly Blumen hat es für die Klimabuchmesse gelesen und rezensiert.

Auf der Flucht vor der Klimakatastrophe

Waren, Dienstleistungen und Geld sind als grenzüberschreitender Handel hoch willkommen, so Gaia Vince. Aber sobald Menschen über eine Grenze wollen, auf der Suche nach einem neuen Ort zum Leben, gelten sie als „Sicherheitsproblem“. Die „Erfindung der Nation“ und die damit entstandene Idee, „Fremde durch Grenzen am Betreten eines Landes zu hindern“, sei noch relativ neu. Dieses Konzept der Ausgrenzung müsse dringend wieder geändert werden, so die Autorin. Durch Brände, Hitze, Trockenheiten und Überschwemmungen würden zukünftig immer mehr Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und deshalb zu Klima-Migrant*innen.

Der Mensch: Chance und nicht Bedrohung

Auch wenn es heute oft anders erscheint, argumentiert die Autorin, beruht die menschliche Entwicklung auf Zusammenarbeit. Krieg, Streit und Hass sind dagegen eine Verschwendung von Menschenleben und Ressourcen. Am Beispiel Spaniens führt sie aus: Wenn Migrant*innen eingebunden werden, arbeiten und Steuern bezahlen, kann die Kommune Kindergärten und Schulen bauen und in weitere Infrastrukturmaßnahmen für alle investieren.

Wenn Fakten sprechen: Migration funktioniert und wirkt positiv

Gaia Vince zeigt anhand vieler Beispiele, dass eine politisch gut gesteuerte Klima-Migration der ganzen Menschheit dienen kann. So gibt es bereits Modelle transnationaler Ausbildungspartnerschaften und falls Pässe weiterhin nötig seien, könnte die UN welche ausstellen. In diesem Sinne könnten gute Konzepte entwickelt werden, die global die Menschenwürde beachten. Aber auch die Politiker*innen, die auf das volkswirtschaftliche Wachstum blicken, beruhigt Vince, verweist auf entsprechende Studien und nennt als Beispiel das gute australische Wirtschaftswachstum, das durch Migration geprägt ist.

Widerstandsfähige Großstädte als Zukunft der Menschheit

„Die Zufluchtsstädte des 21. Jahrhunderts werden nicht nur mit extremen Bedingungen fertig werden, sondern auch den Klimawandel eindämmen müssen.“

Unsere Zukunft liegt in den Großstädten, so Vince, da seit 2008 zum ersten Mal mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land leben. Und es werden Städte auf der nördlichen und südlichen Erdkugel sein, da durch die fortschreitende Erderwärmung immer mehr Bereiche nahe des Äquators unbewohnbar werden. Da in Großstädten allein die Gebäude für mehr als die Hälfte der Kohlenstoffemissionen verantwortlich sind, muss hier schnell gehandelt werden. Gebäude dürfen höchstens so viel Energie verbrauchen, wie sie erzeugen, so das wichtigste Ziel, welches auch die globale Initiative „C40 Städte“, auf die die Autorin verweist, schnellstmöglich umsetzen will.

Jeder Mensch zählt, deshalb: gute Planung durch fähige Politik

„Die Lösung besteht darin zu planen: Städte mit größerer Sicherheit für die zu erwartenden Migranten; Umsiedlungsstrategien für gefährdete Verwaltungsbezirke und Möglichkeiten zur Erleichterung der internationalen Migration.“

Voller Zuversicht beschreibt Gaia Vince, wie einige Städte heute schon dem Klimawandel trotzen und es als Mehrheit zukünftig schaffen werden, auch die Überhitzung der Erde zurückdrängen. Dazu trägt in den kommenden städtischen Gemeinschaften auch der lokale Nahrungsanbau bei. Neben der Öffnung der Grenzen, der Energieumstellung und der Kreislaufwirtschaft, ist auch eine Ernährungsumstellung notwendig. Diese bedeutet durchaus mehr Lebensqualität, denn mit gesünderen Menschen ein angenehmes Leben zu führen, das hört sich doch prima an. Gaia Vince endet mit einer positiven Aussicht auf den guten Willen und die Gemeinschaft der Menschen. Sie hat globale Anstrengungen gesammelt, mit denen wir der Klimakatastrophe begegnen können und artikuliert ihre Hoffnung, dass wir langfristig das Weltklima so weit verbessern können, dass sich die Natur regeneriert und wir verlorene Territorien wieder zurückgewinnen.

Textproduktion und Verantwortung

Über die Ansätze der Autorin Gaia Vince, die sie am Schluss des Buches in einem Manifest zusammenfasst, lässt sich durchaus streiten. So würde ich mich gegen ihren Vorschlag wenden, Wolken aufzuhellen, um Sonnenstrahlen zu reflektieren, da ich dies bedrohlicher finde, als Gebäude und Straßen weiß zu streichen. Doch eint uns das Ziel der unantastbaren Menschenwürde.
Es ist schön, dass der Piper-Verlag, der an anderer Stelle Verunglimpfung und persönlicher Beleidigung unkritisch eine mediale Präsenz ermöglicht, sich auch mit der Veröffentlichung solch friedfertiger und kooperativer Konzepte hervortut.

Gaia Vince: Das nomadische Jahrhundert. Wie die Klima-Migration unsere Welt verändern wird. Piper Verlag, VÖ: 09/2023, 352 Seiten. In der Leseprobe könnt ihr einen Blick ins Buch werfen.
Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.