Das Büchlein „Das Meer klagt an! – Der Kampf für die Rechte der Natur“ der beiden niederländischen Juristinnen Laura Burgers und Jessica den Outer trägt aus aller Welt Beispiele dafür zusammen, wo der Natur eigene Rechte zuerkannt wurden. Zum Welttag der Meeres stellen wir euch das Buch vor.

Mal ist es ein Gewässer, mal eine bestimmte Pflanzenart, mal die Natur als solche, der ein Recht auf ungestörtes bzw. „unzerstörtes“ Bestehen zugesprochen wird.

Warum ist es wichtig, ob die Natur Rechte hat?

Um gegen einen Missstand, bspw. die Verschmutzung eines Gewässers, effektiv vorgehen zu können, braucht es jemanden, der dagegen vor Gericht klagen kann. Das kann in den meisten Rechtssystemen aber nur jemand, dessen Rechte von dem Missstand direkt verletzt werden, der also davon betroffen ist. Man braucht also jemanden (einen Menschen), der etwa in der Nähe wohnt und krank werden könnte. Findet sich niemand, auf den das zutrifft und der bereit ist, den Rechtsweg zu gehen, bleibt der Missstand. Warum also nicht diesen „Umweg“ über einen betroffenen Menschen weglassen und die Natur selbst zu einer juristischen Person erklären, die eigene Rechte hat und diese auch vor Gericht durchsetzen kann?

„Die Freiheit des Menschen wird dabei ausschließlich durch die Freiheit anderer Menschen begrenzt, nicht durch statuierte Eigenrechte der Natur; schutzwürdig ist die Natur nur dann, wenn menschliche Interessen davon betroffen sind. Dieser „mittelbare Umweltschutz“ ist pragmatisch und selektiv – aber wenig effektiv.“

Auch für Lai*innen verständlich

Könnte nicht auch ein Wald oder ein Fluss eine juristische Person sein? Droht ein Wald abgeholzt zu werden, könnte man dann in seinem Namen unter Berufung auf sein Existenzrecht direkt dagegen vorgehen. Bisher geht das eben nur über Betroffene, z.B. Anwohnende. In Deutschland haben auch einige Umweltverbände ein Klagerecht. Die grundlegenden juristischen Zusammenhänge vermittelt vor allem das Vorwort von Christian Rotta auch für juristische Lai*innen sehr gut.

Das Buch bringt dir den Ansatz, die Natur mit eigenen Rechten auszustatten, als eine mögliche Säule im Kampf für die Klimarettung näher. Die beiden Autor*innen mischen darin sehr gut juristische Aspekte (Wer oder was wird wie mit welchen Rechten ausgestattet?) und kulturelle Hintergründe (Welche Weltanschauung liegt dem zu Grunde, z.B. ein Gewässer als Heiligtum).

„Eine Natur mit den Status einer eigenständigen Rechtspersönlichkeit steht im direkten Widerspruch zur Prämisse, auf die sich unsere Wirtschaft seit Jahrzehnten stützt: Die Natur existiert, um vom Menschen verwertet zu werden.“

Fallbeispiele rund um die Welt

Dabei bearbeiten die Autorinnen das Thema nicht wie in einem Aufsatz gegliedert nach theoretischen Fragen oder Aspekten, sondern lassen die strukturiert dargestellten und nach Kontinenten geordneten Fallbeispiele für sich sprechen. In den Beispielen gehen sie darauf ein, wer von wem in diesem Fall mit welchen Rechten ausgestattet wurde. Wer kann dort im Namen der Natur die Rechte (juristisch) einfordern (jedermann? spezielle Behörden?)? Dann zeigen die Autorinnen auf, ob es bereits Anwendungsfälle gab und die neue Rechtslage also schon Früchte getragen hat.

Diese Herangehensweise hat mich anfangs zwar etwas irritiert und das Hineinfinden ins Buch erschwert. Das Weiterlesen hat sich aber gelohnt, denn die Beispiele vermitteln letztlich alles Wesentliche und die Autorinnen geben an den richtigen Stellen noch Denkanstöße.

Denkanstöße zum Weiterdenken

Beim Lesen entsteht so nach und nach ein Gespür für die relevanten, noch offenen Fragen, die ein solches Buch erst einmal nur aufwerfen muss, auch wenn es die Antwort noch nicht mitliefern kann.

Da kam dann bei mir eine Vielzahl zusammen:

  • Kann man einzelne Teile der Natur oder die ganze Natur als solche mit Rechten ausstatten?
  • Wer kann dann den Fluss oder Wald vor Gericht repräsentieren?
  • Ist es sinnvoll, z.B. Gremien aus Regierungsvertretern zu damit zu beauftragen, wenn die Untätigkeit der Regierung häufig bereits mit ursächlich für das Problem (z.B. Abholzung) ist?
  • Was ist, wenn Menschenrechte und Rechte der Natur in Konflikt geraten?
  • Wiegt das Recht der Menschen immer stärker?
  • Wie könnten Rechte der Natur in Europa, in Deutschland, konkret implementiert werden?
  • Muss man lebendig sein, um Rechte zu haben?
  • Und wenn ja: Ist ein Fluss ein lebendiges Wesen?
  • Geht es beim Naturschutz über Eck doch immer eigentlich um das Recht des Menschen auf eine gesunde Umwelt?

All das schwingt mit, geht einem beim Lesen durch den Kopf und bietet immer wieder neue Denkanstöße.

Nachhaltige Lektüre

Die Lektüre des Buches dauert nicht lange, beschäftigt dann aber durchaus noch eine Weile. Zu jedem Beispiel gibt es mindestens eine Quelle als Empfehlung zum Weiterlesen. Für Deutschland wird das Netzwerk „Rechte der Natur – Grundgesetzreform“ vorgestellt, das den sehr interessanten Ansatz verfolgt, die im Grundgesetz bereits festgeschriebenen Grundrechte (z.B. allgemeines Persönlichkeitsrecht) einfach auch auf die Natur anzuwenden (www.rechte-der-natur.de).
Das Buch bietet somit auch konkrete Ansätze für aktivistische Ziele, z.B. durch Unterstützung der beschriebenen nationalen und internationalen Initiativen.

Unterm Strich: klare Leseempfehlung!

„Das Meer klagt an! – Der Kampf für die Rechte der Natur“ von Laura Burgers und Jessica den Outer mit 126 Seiten ist im März 2023 bei Hirzel Sachbuch erschienen. Hier findet ihr eine Leseprobe aus dem Kapitel über Lateinamerika.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.