Auf einer ausgedörrten Wiese liegt das Buch "„Die letzte Generation – das sind wir alle: Wenn die Welt in Flammen steht, hilft es nicht, den Feueralarm auszustellen“ von Lina Eichler, Henning Jeschke und Jörg Alt, bene!. Auf dem Cover ist ein Feuermelder abgebildet.Dass es schon längst ernst ist, beginnt langsam aber sicher in die meisten Köpfe zu sickern. Doch wann tut sich endlich mal genug auf politischer Ebene? Den Mitgliedern der Letzten Generation geht es – verständlicherweise – nicht konkret und schnell genug voran. Was sie tun, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, ist mittlerweile fast allen Deutschen bekannt. Warum sie das tun und wie sie dazu gekommen sind, wissen jedoch die wenigsten.

Wer ist die Letzte Generation?

Sie leisten zivilen Ungehorsam, blockieren Straßen, werfen Kartoffelbrei auf Gemälde, Farbe auf das Brandenburger Tor  – und machen sich durch ihre Aktionen teilweise sehr unbeliebt. Wer direkt von einer der Aktionen betroffen ist, reagiert oft mit Wut und Unverständnis.

Angela Krumpen hat nun ein Buch über Lina Eichler, Henning Jeschke und Jörg Alt geschrieben, drei aktive Mitglieder der Letzten Generation, und hilft uns zu verstehen, was diese Menschen antreibt: „Die Letzte Generation – das sind wir alle“. Autorin Christine Eigenbrod stellt euch das Buch vor.

Warum sind alle so untätig?

Die Prognosen sind düster. Wenn sich die Durchschnittstemperatur um 3 Grad erwärmt, könnten Milliarden von Menschen sterben. Es wird Kriege geben, noch mehr Menschen, die flüchten müssen. Doch warum wird so wenig dagegen getan?

Diese düsteren Aussichten konnten Lina Eichler und Henning Jeschke nicht einfach so hinnehmen. Kurz vor ihrem Abitur beschließt Lina Eichler, die Schule abzubrechen und sich in Vollzeit der Letzten Generation anzuschließen.

Henning Jeschke steht kurz vor seinem Studienbeginn in Lüneburg, als er Mitglieder der Extinction Rebellion aus Irland kennen lernt. Er beschließt, mit dieser Gruppe nach Berlin zu fahren, um Blockaden zu organisieren. Seine Einführungswoche an der Uni lässt er dafür ausfallen. Schlussendlich beschließt er mitten im Studium, dass er es nicht vertreten kann, weiterhin zu studieren, und ist ab sofort ebenfalls in Vollzeit für die Letzte Generation aktiv.

Hungerstreik fürs Klima

Kurz vor der Bundestagswahl im September 2021 beschließen beide, in einen Hungerstreik zu treten. Die Forderung der beiden und fünf anderer Mitstreiter*innen lautet: Ein sofortiges Gespräch mit den drei damaligen Kanzlerkandidat*innen und die sofortige Einberufung eines Bürger*innenrats durch die neu gewählte Regierung.

Jörg Alt, der sich schon seit 2019 bei Fridays for Future engagiert, wird über den Hungerstreik auf die beiden aufmerksam und vermittelt Ihnen den Kontakt zum Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.

Lina Eichler muss nach 20 Tagen aus gesundheitlichen Gründen den Hungerstreik abbrechen. Henning Jeschke wird nach 27 Tagen auf die Intensivstation verlegt, kurz zuvor erreichte ihn ein Anruf von Olaf Scholz. Das persönliche Treffen, zu dem es doch noch kommt, verläuft relativ unbefriedigend.

„Die Uhr tickt, die Klima-Kipppunkte sind da, egal ob man studiert. Oder nicht.“

Dass ihre Aktionen auf sehr viel Unmut und Kritik stoßen, wissen die Aktivist*innen. Auch, welche Auswirkungen die Blockaden auf den Alltag vieler Menschen haben.

„Der Eingriff ist nur dann zu legitimieren, wenn das Problem riesig ist, […] Wäre die Klimakrise nicht derart riesig, wäre nichts von dem, was wir machen, legitim. Trotzdem müssen wir alles versuchen, um den Eingriff in das Leben anderer Menschen so klein wie möglich zu halten.“

Henning Jeschke

„Ich habe immer so viel Angst und mir macht es keinen Spaß zu stören, Menschen auf dem Weg zur Arbeit aufzuhalten. Aber es ist meine Pflicht, das zu tun. Es ist meine moralische Pflicht zu versuchen, unendliches Leid und Sterben in vielen Ländern dieser Erde noch aufzuhalten.“

Lina Eichler

Darum achten sie generell darauf, alle Aktionen vorher anzukündigen und darauf, dass sich nie alle Teilnehmenden der Aktion festkleben, so dass eine Fahrspur im Notfall immer für eine Rettungsgasse genutzt werden kann.

Klimakipppunkte, Todeszonen und: können wir überhaupt noch etwas tun?

Je weiter man mit der Lektüre dieses Buchs kommt, umso unbequemer werden die Fakten. Und es drängt sich die Frage auf: Können wir denn überhaupt noch was tun?

Angela Krumpen beschreibt sehr eindrücklich die drohenden Katastrophen, sollte sich die Erhitzung in dem Maß fortsetzen wie derzeit. Während heutzutage nur etwa 0,8% der Erde durch Hitze als unbewohnbar gilt, könnten im Jahr 2070 bei einer Erwärmung um 3 Grad bereits ganze 19%, also knapp ein Fünftel der Welt, als sogenannte Todeszone deklariert sein.

Mit einem sehr treffenden Vergleich verdeutlicht die Autorin, weshalb bisher zu wenige Menschen die doch eigentlich so offensichtliche Krise nicht als solche zu erkennen scheinen:

„Stellen Sie sich vor, dass ein Feuer ausbricht oder auszubrechen droht. Niemand käme auf die Idee, einfach an einem Brand oder auch nur Schwelbrand vorbeizugehen. […] Damit Menschen sich bei einem Brand adäquat verhalten, müssen sie zwingend vorher verstanden haben: Es brennt!“

Dass alle Menschen künftig die Klimakrise wie einen bedrohlichen Brand einschätzen und angemessen darauf reagieren können, so schlussfolgert die Autorin, braucht es Bildung. Da Bildung allein allerdings nicht reicht und die bisherigen Anstrengungen ungenügend waren, braucht es eine echte Wende. Und damit endlich die Stimmung innerhalb der Gesellschaft „kippt“ hin zu dem Denken „Warum bloß wird nicht mehr unternommen gegen die Klimakrise?“, es also einen gesellschaftlichen Wendepunkt gibt, braucht es soziale Proteste. Und damit die Erhitzung gestoppt werden kann, solange es noch geht, braucht es schnelle und weitreichende Veränderungen. Um dringend notwendige Veränderungen möglichst rasch und effizient voranzutreiben, fordert die Letzte Generation den Einsatz eines Gesellschaftsrats, der mit Unterstützung von Expert*innen konkrete Vorschläge erarbeitet.

Wie geht es weiter?

All das ist bislang noch Zukunftsmusik. All diejenigen von uns, die sich seit Längerem intensiv mit der Klimakrise und ihren Folgen auseinandersetzen, wissen, dass endlich mehr getan werden muss. Und dass es aktuell nicht danach aussieht, dass die Klimakrise endlich mit der Dringlichkeit behandelt wird, die es bräuchte.

Und so wird auch die Letzte Generation weiter machen mit ihren Protesten.

Wenn wir nun im Stau stehen, weil wir durch „Klimakleber“ behindert werden, sind wir bestimmt trotzdem sauer. Schließlich wollen wir einfach pünktlich unser Ziel erreichen.

Doch vielleicht mischt sich unter die Wut das nächste Mal auch ein kleines bisschen Verständnis und ein bisschen Mitgefühl. Denn diese Menschen, die sich da festkleben, sind so verzweifelt, dass sie zum Äußersten greifen.

Sie stellen ihr eigenes Leben, ihre eigenen Bedürfnisse und ihre eigene Würde hintenan. Sie stellen den Wunsch nach Klimaschutz über alles andere. Sie haben eine solche Angst um ihre und unsere Zukunft, dass sie nicht einfach bequem weiter machen wollen, wie bisher.

Und wer kein Fan dieser Klebeaktionen ist, kann auch einfach dieses Buch lesen. Es rüttelt auf, es macht auf Missstände aufmerksam. Ganz ohne Verzögerungen auf dem Weg zur Arbeit!

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.