Wer hat nicht schon darüber nachgedacht, wie wir eine bessere Welt bekommen? Und doch finden wir überwiegend düstere Geschichten in den Regalen der Buchhandlungen. Wenn es um die Weiterentwicklung der Menschheit geht, sehen viele schwarz.
Dabei brauchen wir Utopien, die uns stark machen und eine bessere Zukunft zeigen – dafür plädiert unsere Rezensentin Stefanie Jahnke ganz im Sinne der Klimabuchmesse.
In ihrer Rezension beschreibt sie, weshalb das Buch »Pantopia« aus dem S. Fischer-Verlag eine solche Utopie ist: Es lädt ein in eine Welt ohne Kriege, ohne Machthaber, ohne Staaten. Es überwindet Egoismus, Hedonismus und Kapitalismus. Dafür löst es Grenzen auf: solche auf Landkarten und welche, die wie Stacheldraht in unseren Köpfen stecken.
Der Autorin Theresa Hannig gelingt es mit traumwandlerischer Sicherheit ein hochkomplexes Thema einfach zu machen. Sie zeigt uns den Weg ins Morgen.
Geld ist nur eine Illusion – aber eine, die funktioniert. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Optimierung von Gewinnen in dieser Geschichte den Stein ins Rollen bringt.
Etwas Neues erwacht
Eigentlich hatten Patricia Jung und Henry Shevek vor, eine autonome Trading-Software zu schreiben. Die sollte sich an der Börse bewähren und überdurchschnittliche Rendite bringen. Doch dabei erwacht »Einbug«, die erste starke KI auf dem Planeten Erde.
Einbug begreift schnell, dass bei den Menschen einiges im Argen liegt, und dass sich etwas ändern muss. Tut es das nicht, ist auch seine Existenz in Gefahr. Deshalb sucht Einbug nach einem Weg, die Menschheit und sich selbst zu retten.
Wie man die Welt rettet
Einbug hat verstanden, wie Menschen »funktionieren«. Er setzt auf Gewinne, aber er setzt sie nicht über alles. In seinen unermüdlichen Recherchen findet er Wege, Reichtum für viele zu schaffen und den Kapitalismus in einen perfekten Kapitalismus zu überführen. Er stellt das System vom Kopf auf die Füße. Es wird ein Weltpreis gezahlt, der eingepreist, was die Lebensgrundlagen der Menschheit vernichtet. Auf diese Weise begegnet Einbug dem derzeitigen Versagen des Marktes. Was hilfreich für Menschen und Tiere ist, wird belohnt. Statt auf den Lobbyismus einer jährlich billionenschweren Fossilindustrie setzt Einbug auf Vorteile und Beteiligung. Jeder kann freiwillig zum Archen werden – und dabei profitieren! Es können alle reich werden und genug für ein gutes Leben haben.
Damit ist Einbug genau die starke »Lobby«, die der Menschheit derzeit zu fehlen scheint.
Weltrepublik Pantopia
Ein Arche ist ein Gleicher unter Gleichen und damit auch gleich verantwortlich. Wer die Welt verbrennt, muss sich Gesetzen stellen. Diese Gesetze sind immer im Einklang mit den Menschenrechten und schützen das Leben. Während unsere Grund- und Menschenrechte ein Leitfaden sind, der in der Praxis oft ignoriert wird, wird in Pantopia der Leitfaden zu gelebter Demokratie. »Böse« sein lohnt sich nicht. Damit lässt sich kein Geld verdienen.
Ein Beispiel: Es ist heute (2024) leider völlig normal, einem Ferkel in der industriellen Tierhaltung ohne Betäubung den Schwanz abzuschneiden. Zwar gibt es ein gesetzliches Verbot, doch weil das Verstümmeln nahezu nie kontrolliert und bestraft wird, wird es trotzdem gemacht. (Quelle: »Gibt’s das auch in Grün«, als Rezension hier auf der Seite zu finden.)
In Pantopia wäre eine solche Haltungsform unbezahlbar.
Die KI hat aufgrund ihres Algorithmus und der Börsengewinne ihre eigenen Ressourcen. Sie ist bestens vernetzt. Über das Thema »Digitalisierung« dürfte sie nur müde lächeln, wenn sie denn lächeln könnte.
Aufbruch in eine neue Zeit
Wir erleben in dieser Utopie bis ins Detail, wie die Umwandlung in eine Weltrepublik vor sich geht. Wir verfolgen, wie es dazu kommt, dass ausgerechnet ein Fehler zu einem unschätzbaren Vorteil für die Menschheit wird. Natürlich gibt es dabei Hindernisse und Rückschläge. Denn Patricia und Henry machen sich mit ihrer Vision einer gerechteren, lebenswerten Welt nicht nur Freunde.
Mut und Hoffnung
Dieses Buch macht gute Laune! Theresa Hannig hat sich einer großen Herausforderung gestellt. Es ist einfach, Dystopien zu schreiben. In ihnen gibt jede Menge Konflikte und damit verbundene Spannung. Utopien zu schreiben ist dagegen schwer. Genau das hat die Autorin mit Bravour gemeistert und dabei alles durchdacht. Beeindruckend ist ihre Affinität zur Wirtschaftsforschung und der Wille, sich mit wissenschaftlichem Konsens auseinanderzusetzen. Hier ist sie etlichen Politikerinnen um Lichtjahre voraus.
So ist die Einpreisung und hohe Besteuerung von CO2 schon seit Jahrzehnten der wissenschaftlich vorgeschlagene Weg in Deutschland. Das kommunizieren unter anderem der Ökonom Prof. Dr. Ottmar Edenhöfer und die Energieökonomin Pof. Dr. Claudia Kemfert. Sicher hätten auch sie Freude an diesem gut recherchierten Werk.
Theresa Hannig zeigt einen Weg, den wir tatsächlich gehen könnten, wenn wir alle unseren inneren Einbug entdecken. Dabei reicht die Vision, unsere Welt zu retten, über die klimatische Dimension hinaus.
Nicht umsonst hat „Pantopia“ den »Seraph« 2023 erhalten, den Literaturpreis des Vereins Phantastische Akademie e. V.
Mach mit!
Zum Abschluss bleibt mir nur, die Einladung vom Anfang zu wiederholen:
»Komm nach Pantopia. Hier sind alle willkommen!«
Theresa Hannig, „Pantopia“, S. Fischer Verlag, 2022, 464 Seiten, ISBN: 978-3-596-70640-2
In der Leseprobe könnt ihr einen Blick ins Buch werfen.
Weitere Klimabuch-Tipps findet ihr in unserer Klimabuchliste.