Foto: Prof. Dr. Claudia Kemfert bei der Abschlussveranstaltung der Klimabuchmesse 2023

Prof. Dr. Claudia Kemfert zeigt in ihrem Buch „Schockwellen – Letzte Chance für sichere Energien und Frieden“ sehr eindringlich, wie verfehlt die letzten vierzig Jahre deutscher Energiepolitik waren. In kurzen Kapiteln bereitet sie die historischen Zusammenhänge bis zur verpassten Zeitenwende auf und plädiert für rasches, entschlossenes Handeln. Doch trotzdem schiebt die Politik den nötigen Umbau der Energieversorgung immer weiter nach hinten.

Taube Ohren und der fossile Status Quo

Deutsche Politiker*innen  werden seit Jahrzehnten vor den Folgen der fossilen Abhängigkeit gewarnt, besonders von Wissenschaftler*innen wie Claudia Kemfert. Sie wurde ignoriert, auch wenn sie seit 2004 die Leiterin der Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ am deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) war und den Lehrstuhl für Energieökonomie und Nachhaltigkeit and der Leuphana Universität Lüneburg innehat. Kemfert beschreibt die Arroganz, Ignoranz und Falschbehauptungen, auf Basis derer politische Entscheidungen getroffen werden. Sie ist überzeugt: Ohne eine ehrliche Aufarbeitung vergangener politischer und ökonomischer Entscheidungen werde es keinen kraftvollen Neustart geben.

„Immer neue Schockwellen [versetzen die Welt in Angst und Schrecken], während die fossile Wirtschaft freudig Geschäfte macht und eimerweise das Geld der Verbraucher:innen in eine Maschinerie schüttet, die eben diese Schockwellen verursacht.“

Kemfert nimmt die Lesenden mit zu den Schockursachen. Dabei nimmt sie wirtschaftliche und politische Größen der letzten Jahrzehnte unter die Lupe, deren Entscheidungen zu unserer heutigen Abhängigkeit von Russland geführt haben. In der gleichen Zeit baute eine mächtige Lobby den künstlichen Gegensatz zwischen Klima und Frieden auf. Deutschland blockierte die Energiewende in einer Mischung „zwischen Ignoranz und Aufbruch“. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 und der sich daraus entwickelnden Energiekrise werde nun auch einer breiten Öffentlichkeit klar, wie Gas und Öl als geopolitische Waffen eingesetzt würden. Trotzdem wurden keine sofortigen Energieembargos eingesetzt, stattdessen aber Milliarden in russische Kriegskassen gespült. Kohle, Fracking und Atomkraft stehen wieder auf der politischen Tagesordnung.

Der Preis der verschleppten Energiewende

Und noch immer kommt der dringend nötige Umbau nicht.

„Das Geld wird buchstäblich verbrannt.“

Immer wieder wird das Argument bemüht, Klimaschutz sei teuer. Claudia Kemfert argumentiert, dass Maßnahmen zum Klimaschutz Kosteneinsparungen bedeuteten, im Vergleich zu den Ausgaben, die die Folgen der verschärften Klimakatastrophe mit sich brächten. Volkswirtschaftliche Simulationen von Kemferts Team gehen davon aus, dass wenn bis 2050 260 Milliarden in Klimaschutz flössen, insgesamt rund 540 Milliarden Euro eingespart würden. Besonders teuer käme Deutschland „der Irrglaube an billige Übergangslösungen“ zu stehen. Unter anderem habe die fossile Lobby Erdgas  erfolgreich als klimafreundlich umgelabelt. Die Atomenergie nennt Kemfert dafür den „ewigen Kai aus der Kiste“. Aber nicht Brückentechnologien, sondern dauerhafte Auswege aus der fossilen Abhängigkeit sind die Lösung.

Letzte Chance für sichere Energien und Frieden

Die vielfach ausgezeichnete Energieökonomin verweist auf zahlreiche Alternativen zur aktuellen Politik. Neben der Energiewende müssen wir auch die Wärmewende konsequent angehen. Es bleibt uns nur noch ein kleines Zeitfenster, um durch entschlossenes Handeln unsere Energieversorgung zu sichern, ohne gleichzeitig Weltklima, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und friedliches Zusammenleben zu gefährden.

„Schockwellen – Letzte Chance für sichere Energien und Frieden“ von Claudia Kemfert ist im Februar 2023 beim Campus Verlag erschienen. In der Leseprobe könnt ihr einen Blick ins Buch werfen.

Weitere Klimabuch-Tipps findest du in unserer Klimabuchliste.